Endlich wieder Gottesdienst in Rottthalmünster – über die Winterzeit im kath. Pfarrheim St. Bonifatius in der Pfarrkirchener Str. 18 in Rotthalmünster und nach Ostern ab 11.04. dann in der Friedhofskirche Rotthalmünster.

Predigt von Pfarrerin Alexandra Popp zum Sonntag Lätare am 14.3.2021

Liebe Gemeinde,

wenn sie ihn doch nur sehen könnten! So richtig leibhaftig vor ihm stehen und mit ihm reden, das wäre was! Da würde ein großer Traum für sie in Erfüllung gehen, eine große Sehnsucht. Doch die Chancen standen schlecht. Er war ein Star, alle redeten über ihn, alle wollten ihn sehen. Wenn sie doch nur an ihn herankommen könnten! Sie malten sich aus, wie es wohl wäre, ihn kennenzulernen und zu sehen, wie er wirklich ist – privat, hinter den Kulissen. Ob das alles stimmt, was man so über ihn hört und liest? Da kam einem von ihnen auf einmal eine Idee: „Wir kommen zwar nicht an IHN heran – aber wir könnten es bei einem seiner engsten Mitarbeiter versuchen. Den einen habe ich hier vorhin schon gesehen. Vielleicht kann er uns zu ihm bringen.“ Sie wussten nicht, ob es funktionieren würde, aber man konnte es ja zumindest mal versuchen.

Im Johannesevangelium, Kapitel 12 lesen wir: „Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“  [Joh 12,20-24]

Liebe Gemeinde,

sowohl im Konfirmandenunterricht als auch in meiner Religionsklasse in der Schule habe ich gefragt, was die Jugendlichen tun würden, wenn sie Gott wären. Und die meisten haben tatsächlich geschrieben: „Ich würde mich den Menschen zeigen, damit sie mich sehen und an mich glauben.“ Das hat mich sehr überrascht. Es drückt eine Sehnsucht aus: Wenn ich Gott doch sehen könnte! Für die Jugendlichen gehört sehen und glauben ganz klar zusammen! Und vielleicht hatten Sie diesen Gedanken ja auch schonmal: Wenn sich Gott mir doch nur mal zeigen könnte, wenn ich ihn nur kurz mal sehen könnte! Dann wäre es nicht immer so schwierig, das mit dem Glauben! Es ist doch verständlich, dass man etwas sehen will, um sich eine Vorstellung davon machen zu können, um glauben zu können. Es wäre Vieles einfacher, wenn man Gott ab und zu sehen könnte!

Die griechischen Gäste in der Geschichte wollten Jesus auch unbedingt sehen. Sie waren keine Juden, kamen aber zum Passafest nach Jerusalem. Sie waren also religiös interessiert und waren neugierig auf diesen Jesus. Vielleicht hatten sie dessen Einzug nach Jerusalem verpasst und suchten nun nach einer anderen Möglichkeit, ihn mal zu treffen. Ihr Plan war es, mit Philippus zu reden. Philippus ist ein griechischer Name und er war vermutlich auch Grieche. Vielleicht erhofften sie sich bei ihm gute Chancen, zu Jesus gebracht zu werden, so von Grieche zu Grieche. Doch Philippus ging nicht direkt zu Jesus, sondern erstmal zu Andreas, ebenfalls ein griechischer Name. Gemeinsam gingen sie dann zu Jesus und setzten sich bei ihm für die griechischen Gäste ein.

Jesus reagiert nun ziemlich ungewöhnlich. Er ist überhaupt nicht offen und bereitwillig zugewandt, wie man es erwartet hätte, sondern eher abweisend. Denn Jesus weiß, dass die Zeit, wo man ihn sehen kann, bald vorbei sein wird. Deshalb kann man sich gleich mal an den Gedanken gewöhnen, dass es nicht auf das Sehen ankommt. Das Sehen führt nicht zum Ziel. Stattdessen setzt Jesus auf das, was bleibt: nämlich auf seine Botschaft, auf das, was man hören kann. Darauf kommt es letztendlich an. Und er nimmt einen Vergleich her, um seine Zukunft zu beschreiben: „Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“

Jesus spricht vom Sterben. Von seinem Sterben. Er weiß, dass er durch den Sterbeprozess durch muss, weil daraus etwas unglaublich Schönes, Kraftvolles und Hoffnungsvolles entstehen wird. Jesus kündigt hier schon Ostern an. Auch der Sonntag heute mit seiner Aufforderung „Freut euch!“ verweist schon auf Ostern. Aber trotzdem wird das Sterben nicht verharmlost. Jesus sagt nicht: Seht nur, was aus einem Weizenkorn Tolles entstehen kann. Sondern er sagt: Erst muss dieses Weizenkorn sterben. Und dieser Sterbeprozess ist hart, er ist mühsam und tut weh. Jesus spricht davon, dass manchmal etwas erst sterben muss, damit etwas Neues entstehen kann. Manchmal müssen wir etwas loslassen, damit es einen Neuanfang gibt.

Sie haben bestimmt selbst schonmal Samenkörner in die Erde eingepflanzt, vielleicht in einen Blumentopf oder vielleicht draußen im Garten. Und bestimmt ist Ihnen aufgefallen: Da passiert erst einmal lange Zeit nichts, das man sehen könnte. Es dauert einige Zeit, bis man die ersten Triebe sieht. Ich kann mich noch erinnern, als meine Mutter mit mir als Kind Samenkörner in einen Blumentopf eingepflanzt hat. Da bin ich jeden Tag zum Blumentopf gegangen und habe nachgesehen, ob sich etwas geändert hat. Aber viele Tage lang tat sich einfach gar nichts. Es sah alles tot aus. Es war mühsam, einfach nicht zu wissen, ob überhaupt etwas passiert. Wenn man die Samenkörner doch nur beobachten könnte! Wenn man sie doch nur sehen könnte!

Manchmal stecken wir ebenso in Situationen fest, in denen wir einfach nicht sehen können, dass sich etwas verändert, dass sich etwas tut. Wie dieser Blumentopf fühlt es sich einfach immer gleich leblos und trostlos an. In solchen Situationen, in denen man etwas loslassen muss, kann man noch nicht über das reden, was einmal aus dieser Situation entstehen kann.

Als Kind musste ich die Samenkörner loslassen und in die Erde eingraben. Und ich konnte erstmal nicht über die Pflanze reden, weil ich sie ja nicht sehen konnte! Erst im Nachhinein konnte ich sie sehen und beschreiben.

Auch zum Beispiel bei Beerdigungen ist es so, dass die Angehörigen in diesen Momenten tiefer Trauer und großen Schmerzes erstmal nichts Positives sehen können. Da ist einfach nur großes Leid – und erst Monate oder Jahre später können manche zurückblicken und sagen: „Das war zwar ein großer Einschnitt im Leben, aber dadurch ist auch etwas Neues entstanden.“ Vielleicht kennen Sie Menschen, die nach dem Tod eines Angehörigen nochmal richtig aufgeblüht sind. So etwas kann man im Rückblick manchmal erkennen, aber in der Situation des Verlusts ist davon noch nichts zu sehen.

Ich denke zum Beispiel auch an Menschen, die gerade eine schwere Krankheit durchmachen. Wenn man eine Krankheit durchmachen muss, ist das anstrengend und mühsam. Da kann man kaum etwas Positives an der Situation sehen! In solchen Momenten scheint vielleicht alles hoffnungslos. Aber wie anders sieht es aus, wenn man eine Krankheit überwunden hat! Ich habe von Menschen gelesen, die nach einer überstandenen Krankheit ein ganz anderes Leben führten, dass sie dankbarer und glücklicher waren und bewusster lebten. Da ist etwas Neues aufgeblüht, was sie sich vorher gar nicht hätten vorstellen können.

Vielleicht fallen Ihnen selbst noch Beispiele ein, wo Sie gerade in einer Situation feststecken, in der sie etwas loslassen müssen oder etwas zu Ende geht. Vielleicht wissen Sie von anderen, denen es gerade so geht. Gerade die Passionszeit ist die Zeit, wo solche Verluste nicht verharmlost werden, sondern wo man solche Dinge auch mal aussprechen kann. Ja, es tut weh und nein, momentan kann ich nichts Positives sehen, keinen Neuanfang, keine Frucht, die entstehen kann, sondern da ist nur den Schmerz des Verlustes.

Ich denke, dass es vielen von uns auch mit Corona so geht. Vor einem Jahr begann der erste Lockdown und unser Leben wurde auf den Kopf gestellt. Was mussten wir wegen Corona nicht alles loslassen, wie viele Schäden sind entstanden und wie viele müssen wohl ihr Geschäft aufgeben, weil das Geld nicht mehr reicht! In solchen Momenten hilft es überhaupt nicht, darüber zu reden, was durch Corona auch Positives entstehen kann, sondern da ist erstmal Trauer und Schmerz. Die Passionszeit ist die Zeit, in der man solche Sachen ganz klar benennen und aussprechen darf.

Aber was der Lätare-Sonntag heute in der Passionszeit gleichzeitig sagt, ist: Sterben und Fruchtbringen gehören zusammen, auch wenn du es erst im Nachhinein so sehen kannst. „Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Das erleben wir jedes Jahr aufs Neue mit den Jahreszeiten. Im Herbst stirbt Vieles in der Natur und im Winter wirkt die Natur oft tot. Man muss lange Geduld haben, bis man auf einmal im Frühling die ersten Krokusse und Schneeglöckchen sieht. Wie viel Freude macht es, das jedes Jahr zu sehen, dass neues Leben aufbricht! Jemand hat mir neulich davon erzählt, wie schön es ist, sich auf die Suche nach dem Frühling zu machen. Vor allem Kinder entdecken allerlei Interessantes, wenn man mit ihnen zusammen den Frühling sucht. Man sieht, dass neues Leben entsteht, wo vorher alles tot aussah.

Sterben und Fruchtbringen gehören zusammen. Auch wenn im Winter alles tot aussieht, wissen wir, dass im Frühling neues Leben aufbricht. Und man kann das beides gar nicht so trennen: Wann hört das Sterben auf, wann fängt das Fruchtbringen an? Trauer und Freude lässt sich manchmal gar nicht so klar trennen, sondern ist ineinander verwoben und miteinander verbunden.

Ich denke dabei auch an unsere Situation hier in Rotthalmünster gerade. Wir feiern heute mit diesem Gottesdienst einen Neuanfang, aber gleichzeitig ist der Schmerz immer noch groß. Es tut weh, nichts Eigenes mehr zu haben und auf die Gastfreundschaft anderer angewiesen zu sein. Und momentan lässt sich da vielleicht auch nichts Gutes, keine Frucht erkennen.

Doch wissen Sie was? Ich freue mich schon darauf, wenn wir im Dezember auf dieses Jahr zurückblicken werden. Dann werden wir sagen, dass der Verkauf des Gemeindezentrums Anfang des Jahres sehr schmerzhaft war, aber dass mit dem Gottesdienst im März gleichzeitig auch etwas Neues angefangen hat. Und wenn wir vielleicht in drei Jahren auf die Zeit zurückblicken, werden wir staunen, was sich hier alles seit diesem Gottesdienst heute entwickelt hat, welche Früchte entstanden sind. Ich bin schon sehr gespannt darauf, was wir dann sehen werden, was hier in Rotthalmünster und Umgebung Neues entstanden ist, auch wenn wir das jetzt im Moment noch nicht sehen können. Ich freue mich auf die kommende Zeit mit Ihnen!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.